Erwachsene mit ADHS sind oft sehr ungeduldig und impulsiv. Foto © iStock DeanDrobot
Bekannt ist ADHS vor allem als Krankheit bei Kindern. Doch das Zappelphilipp-Syndrom wächst sich mit den Jahren nicht immer aus. Unbehandelt kann ADHS das Leben eines Erwachsenen beeinträchtigen. Die Anzeichen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung werden jedoch oft nicht erkannt, weil sie sich im Laufe des Lebens verändern.
Typisch ADHS: Kinder mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung können einfach nicht still sitzen, leiden unter ständigem Bewegungsdrang und können sich nicht konzentrieren. Bis zu sieben Prozent der Kinder in Deutschland sind betroffen. Die landläufige Meinung in Sachen ADHS lautet noch immer: Die Störung vergeht mit der Zeit.
Doch Studien beweisen, dass aus mindestens der Hälfte dieser betroffenen Kinder Erwachsene mit ADHS werden. Experten gehen davon aus, dass rund zwei Millionen Erwachsene in Deutschland daran leiden. Die meisten von ihnen wissen jedoch nicht, dass sie diese Krankheit haben.
Die Ursache dafür: Die Symptome der ADHS im Erwachsenenalter unterscheiden sich von denen bei Kindern. Oft wird deshalb die Krankheit nicht erkannt und beeinträchtigt dann nicht nur die Lebensqualität, sondern kann zu massiven Problemen führen und den gesamten Lebensweg verändern.
ADHS bei Erwachsenen ist deshalb immer noch unterschätzt. Dabei gibt es wirksame Behandlungsmöglichkeiten, unter anderem gut erprobte Medikamente gegen die Symptome der Störung.
Der erste Schritt heißt darum für Betroffene und Menschen in deren Umgebung: Achten Sie auf die typischen Anzeichen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter. Das sind:
Denn die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ist keine reine Verhaltensstörung, wie man früher meinte, sondern eine neurobiologische Krankheit: Ihre Ursache liegt im Gehirn. Bei ADHS ist die Informationsübertragung der Nerven im Gehirn verändert, denn die Gehirnbotenstoffe befinden sich im Ungleichgewicht (Neurotransmitterstörung).
Vor allem betrifft das diejenige Region im Gehirn, die für die Steuerung der Aufmerksamkeit verantwortlich ist. Übrigens setzen genau hier Suchtmittel wie Nikotin und Alkohol an. Deshalb rauchen oder trinken manche Menschen mit ADHS viel, weil sie so unbewusst eine trügerische Besserung ihrer Beschwerden erhalten – und gleiten damit in die Sucht mit all ihren negativen Folgen.
Die Ursachen für die veränderte Informationsübertragung im Gehirn bei ADHS sind:
• Gene, die Veranlagung für ADHS ist vor allem erblich.
• Umwelteinflüsse wie Probleme in der Familie, Stressfaktoren wie Großstadt, Lärm, aber auch zu hoher TV-Konsum oder unkontrollierter Umgang mit Computerspielen.
Mit einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) und Fragebögen kann der Arzt feststellen, ob es sich um ADHS handelt. Hier spielen die aufgeführten Symptome eine Rolle. Zusätzlich ergibt sich aus der Anamnese, ob womöglich eine weitere psychische Erkrankung vorliegt.
Zur Diagnose von ADHS beim Erwachsenen kann der Arzt außerdem folgende Methoden heranziehen:
• körperliche Untersuchung (um organische Ursachen, etwa eine Funktionsstörung der Schilddrüse, auszuschließen)
• neurologische Untersuchung
• EEG (Elektroenzephalographie)
• Konzentrationstests
Je nach Befund wird der Arzt zusammen mit dem Patienten zunächst entscheiden, ob überhaupt eine Behandlung notwendig ist. Das hängt davon ab, wie ausgeprägt die Symptome sind und ob sie den Patienten stark belasten (Leidensdruck).
Sind die Anzeichen nur milde, ist eine Therapie meist nicht nötig. Oft bewirkt bereits die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung, dass sich der Betroffene besser fühlt. Denn endlich ist für seine unterschiedlichen Probleme eine gemeinsame Ursache gefunden.
Ist der Leidensdruck jedoch ausgeprägt, ist eine Behandlung angezeigt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn wegen der ADHS
• der Arbeitsplatz in Gefahr ist,
• starke Ängste oder Aggressivität quälen,
• übermäßiger Konsum von Alkohol und/oder Nikotin auftreten oder wenn Drogen wie Cannabis zur Dämpfung der Impulsivität und inneren Unruhe konsumiert werden,
• Folgekrankheiten wie Ängste oder Depressionen diagnostiziert werden.
Der Arzt stellt gemeinsam mit dem Patienten einen Behandlungsplan auf. Das Behandlungskonzept besteht aus mehreren Faktoren. Zu dieser multimodalen Therapie gehören:
• Medikamente
• Psychotherapie
Zu den Medikamenten gehört beispielsweise das verschreibungspflichtige Methylphenidat. Zusätzlich ist eine Verhaltenstherapie sinnvoll. In Gruppen- oder Einzeltherapie lernen Erwachsene mit ADHS, wie sie ihre Impulsivität besser steuern können. In Rollenspielen erfahren sie, wie sich Zeitmanagement und Geduld trainieren lassen.
Wichtig ist auch gesunde Ernährung mit viel Fisch und Nüssen, weil diese Lebensmittel Omega-3-Fettsäuren enthalten.
Fest steht jedoch auch, dass ADHS nicht nur negative, sondern auch positive Effekte haben kann. Der unermüdliche Schaffensdrang und das intuitive Handeln aus dem Bauch heraus kennzeichnen viele kreative Menschen. Wissenschaftler und Künstler wie Ludwig van Beethoven, Albert Einstein und Walt Disney sollen typischen Anzeichen einer ADHS aufgewiesen haben. Bekannt ist heute zudem, dass die prominenten Schauspieler Will Smith und Robin Williams ADHS haben beziehungsweise hatten.
Es handelt sich bei Erwachsenen mit ADHS also auf keinen Fall immer um unberechenbare Chaoten oder gar Versager. Die Bandbreite betroffener Menschen liegt zwischen Genialität und Scheitern. Trotzdem ist die Behandlung einer ADHS mit entsprechendem Leidensdruck zwingend nötig, weil dadurch die negativen Seiten der neurobiologischen Krankheit gemildert werden oder sogar ganz verschwinden.
Autor: MONIKA PREUK